Vorsicht, der Riese ist wach
Amerikanische Marken, globale Lektionen
Floyd's Coffee, Google, Groupon – diese Namen klingen auf den ersten Blick weit entfernt vom Alltag eines Schweizer KMU. Doch die Mechanismen, die hinter dieser Geschichte stecken, betreffen auch Sie. Denn sie zeigen, was passiert, wenn ein Kaufinteressent nicht zum Käufer wird – sondern zum Konkurrenten. Und das kann überall passieren, auch in Ihrer Branche, auch in Ihrer Region.
Am 1. Juni 2011 war bei Floyd's Coffee in Portland, Oregon, Ausnahmezustand. Die beiden Filialen wurden regelrecht überrannt – nicht von ihren Stammgästen, sondern von Neukunden mit einem verlockenden Angebot: 10 Dollar Kaffee für 3 Dollar. Der Grund? Floyd’s war der erste Pilotkunde von Google Offers, dem damaligen Einstieg des Internetgiganten in den Social-Buying-Markt.
Google war nicht der Erfinder dieses Modells. Die Idee stammt von Groupon – und Google hatte zuvor sogar versucht, Groupon für 6 Milliarden Dollar zu kaufen. Groupon lehnte ab.
Ein Jahr später war Groupon auf dem absteigenden Ast. Der Website-Traffic halbierte sich, der Aktienkurs war 25 % unter dem Ausgabepreis. Der Riese war beleidigt worden – und hatte beschlossen, selbst ins Spiel einzusteigen.
Das Spiel mit dem Feuer
Diese Geschichte ist mehr als nur ein Kapitel Internetgeschichte. Sie ist eine eindrückliche Warnung für Unternehmer:
Wenn ein potenzieller Käufer anklopft, ist das nicht automatisch ein Ritterschlag. Es ist eine strategische Prüfung. Und wenn man zu hoch pokert, kann aus dem interessierten Käufer sehr schnell ein gefährlicher Konkurrent werden.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Sicherheitsunternehmen mit 500'000 USD Gewinn pro Jahr bekommt ein Kaufangebot über das Vierfache des Gewinns. Der Eigentümer lehnt ab, will das Sechsfache. Der Kaufinteressent zieht sich zurück, stellt stattdessen eine junge Führungskraft ein und investiert 200'000 USD, um ein Konkurrenzgeschäft aufzubauen.
Das Ergebnis? Der ursprüngliche Unternehmer verliert nicht nur das Kaufangebot, sondern bekommt auch noch einen finanzstarken Wettbewerber mit Insiderwissen.
Die Lektion für Unternehmer
Ein strategischer Exit (also der vollständige oder teilweise Verkauf eines Unternehmens) beginnt nicht mit einem Angebot, sondern lange davor: mit der bewussten Entwicklung eines Unternehmens, das attraktiv für Käufer ist und vorbereitet auf Alternativen.
Ein potenzieller Käufer vergleicht nicht nur zwischen verschiedenen Häusern auf dem Markt. Er fragt sich auch: „Kaufe ich überhaupt – oder baue ich selbst eins?“
Deshalb ist es entscheidend, das eigene Unternehmen kontinuierlich zu verbessern – an den acht zentralen Hebeln des Unternehmenswerts. Denn ob sich jemand für Kauf oder Konkurrenz entscheidet, hängt auch davon ab, wie viel Respekt Ihr Unternehmen verdient.